Anamnese und Initialuntersuchung
Erstkontakt auf Normalstation:
Vor der üblichen Erfassung der Daten im Pflegebogen sollte ein Abgleich der ggf. bereits in der Notaufnahme erfassten Informationen stattfinden. Zum Schutz des Personals sind auch sonst unübliche Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Die meisten Patienten geben bei Aufnahme eine Handynummer an, es ist durchaus möglich weitere personenbezogene Informationen auf diesem Weg zu erfassen.
Ist dies nicht möglich so ist immer auf den größtmöglichen Abstand zum Patienten zu achten.
Wenn bei einem Patienten der dringende, klinische Verdacht auf eine Covid-Infektion besteht, so ist beispielsweise eine differenzierte Reiseanamnese überflüssig und gefährdet nur unnötig das Personal.
Leitsymptome:
- Husten (55%)
- Fieber > 37,7°C (39%)
- Schnupfen (28%)
- Halsschmerzen (23%)
- Anosmie (30%, Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn)
Wichtig zu beachten ist, dass diese Leitsymptome bis auf den Husten nicht mal bei der Hälfte der PatientInnen auftreten! Weiter Symptome können sein:
- Dyspnoe (3%)
- unter Umständen auch gastrointestinale Beschwerden
- CAVE: neue Daten legen nahe, dass Covid-19 sich z.B. auch hinter neu aufgetretenen Arrhythmien oder einem Myokardinfarkt verstecken kann
Quelle: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html v. 5.4.2020
Es ist eine sorgfältige Reiseanamnese (auch der engsten Familienkontakte) zu erheben.
Vital- und Überwachungsparameter
Die hochsensitiven Parameter
- Kognition
wach, schläfrig, somnolent, bewusstlos - Atemfrequenz
Atemzüge pro Minute, >21/min potentiell kritisch, >31/min sicher kritisch, siehe auch Early-Warning-Score)
lassen sich auch aus einiger Distanz beurteilen.
Weitere wichtige Überwachungsparameter bei Covid-19-Patienten sind:
- Blutdruck
- Herzfrequenz
- Sauerstoffsättigung
- Temperatur
- Diurese
- (Gewicht)
Wie oft und welche weiteren Parameter gemessen werden sollte individuell festgelegt werden. Es muss immer ein Nutzen (Entdeckung von intensivpflichtiger Interventionsnotwendigkeit) gegen das Risiko (Infektionsgefahr des Personals, Verbrauch von Schutzmaterial) abgewogen werden. Hier kann es keine generellen Empfehlungen geben.
Anordnungen sind täglich auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen!
Wir empfehlen die Etablierung und das Nutzen eines Early-Warning-Scores zur Entdeckung der kritisch erkrankten Patienten.
Eskalation von Behandlungsmaßnahmen und der Patientenwille
Insbesondere bei erheblicher Komorbidität empfiehlt sich die frühzeitige Evaluation des Patientenwillens in Bezug auf eine Eskalation der Behandlungsmaßnahmen. Die diesbezüglichen Gespräche können an Seelsorger delegiert werden.
Welchen Patienten sollte ein solches Gespräch zwingend angeboten werden?
Das britische NHS empfiehlt die Beantwortung der Frage:
"Würde es mich überraschen, wenn dieser Patient auch ohne zusätzliche Erkrankung innerhalb des nächsten Jahres verstirbt?"
Ist die Antwort "Ja" so sollte in einer die Privatsphäre währenden Umgebung vor allem auch eine Aufklärung darüber stattfinden, dass der Verzicht auf eine Intensivtherapie keinen generellen Therapieverzicht darstellt, sondern eine Änderung des Therapieziels darstellt.
Statt des unbedingten Erhalt des Lebens um jeden Preis rückt der Erhalt der Lebensqualität und eine Vermeidung von Angst, Stress, Schmerzen oder Luftnot in den Fokus.
Labor
Routinemäßige Blutentnahmen sind vor dem Hintergrund eines Patient Blood Managements ohnehin kritisch zu hinterfragen. Bei Covid-Patienten ist diese Maßnahme um so strikter zu reevaluieren, auch um unnötige Patientenkontakte zu minimieren.
Wenn notwendig sollten Laborentnahmen mit anderen Maßnahmen wie z.B. der Erfassung der Vitalparameter koordiniert werden.
Empfehlenswerte Laborparameter bei Covid-19 sind:
BB, CRP, Natrium, Kalium, Creatinin, LDH (auch prognostisch), GOT/GPT, Gamma-GT, Quick/INR und aPTT nur nach individueller Fragestellung
Wir empfehlen die Anlage eines hausinternen Standards (z.B. "Covid-Labor 1").
Überprüfen der Hausmedikation
Die Indikation der regulären Hausmedikation sollte bei relativen Kontraindikationen nach individueller Prüfung ggf. abgesetzt (z.B. orale Antidiabetika) werden.
Die Bedarfsmedikation kann bei Covid-19 neben Analgetika, Antipyretika und evtl. Inhalativa) ggf. auch Antitussiva (zwecks Reduktion von Aerosol) umfassen.
Ausstattung aller Bettenplätze mit Sauerstoffanschluss
Sauerstoffpflichtige Patienten sollten engmaschig auf eine Progredienz der respiratorischen Insuffizienz überwacht werden, zum Beispiel durch Auszählen der Atemfrequenz.
Der Vorteil liegt auch darin, dass kein direkter Patientenkontakt notwendig ist. Im Zweifel sollte immer eine gründlichere Untersuchung mit Erhebung weiterer Vitalparameter unter Vollschutz-PSA erfolgen.
Volumentherapie
Eine ausgeglichene bis leicht negative Flüssigkeitsbilanz ist unter Berücksichtigung der Perspiratio (vor allem bei erhöhter Körpertemperatur!) anzustreben.
Eine routinemäßige Bilanzierung und tägliches Wiegen der Patienten ist vor dem Hintergrund des Infektionsrisikos und nur nach individueller Abwägung festzulegen.
Thromboseprophylaxe
Die Thromboseprophylaxe kann nach Standard (Link zu S3-LL "Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)") erfolgen.
Angehörige
Es empfiehlt sich ein Merkblatt für Angehörige auf dem die wichtigsten Regeln erklärt werden. Wir empfehlen telefonische Sprechzeiten für Angehörige zu etablieren. Diese können sinnhaft außerhalb der Stoßzeiten z.B. vor der pflegerischen Übergabe eingerichtet werden. Es empfiehlt sich die Angabe einer separaten Telefonnummer um das stationseigene Telefon frei zu halten.
Quellenverzeichnis
- https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/Aktuelles/2020-03-16_Statement_Asthma_und_COVID-19_F.pdf (aufgerufen am 26.03.2020)
- https://emcrit.org/ibcc/covid19/ (aufgerufen am 26.03.2020)
- Liang, Tinbo(Hrsg)(2020): Handbook of COVID-19 Prevention and Treatment, The First Affiliated Hospital, Zhejiang University School of Medicine Erreichbar unter:https://covid-19.alibabacloud.com/ (aufgerufen am: 27.03.2020)
- Cereda D., Tirani M., Rovida F., Demicheli V., Ajelli M., Poletti P., Trentini F., Guzzetta G., Marziano V., Barone A., Magoni M., Deandrea S., Diurno G., Lombardo M., Faccini M., Pan A., Bruno R., Pariani E., Grasselli G., Piatti A., Gramegna M., Baldanti F., Melegaro A., Merler S. (2020): The early phase of the COVID-19 outbreak in Lombardy, Italy, erreichbar unter: https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/2003/2003.09320.pdf (aufgerufen am 28.03.2020)